Kuriose Fälle der Justiz

Die Welt der Juristerei ist nicht nur trocken und humorlos. Es gibt Fälle die sind garnicht so komisch, muten aber aufgrund der Tatsache kurios an, dass erst ein Gericht Klarheit bringen konnte. Bei anderen Fällen ahnen Sie vielleicht, dass auch Juristen und sogar Gerichte Spaß an ihrem Fachgebiet haben können. Was haben Sie für möglich gehalten?

Viagra als staatliche Fürsorgepflicht

Oft werden mit dem Beamtenstatus diverse Vorzüge assoziiert. Etwas kurios wird es in diesem Fall: So besorgte sich einmal ein Beamter ein entsprechendes ärztliches Attest, mit welchem er bei seinem Dienstherrn eine Kostenübernahme für seine Viagrapillen wegen erektiler Dysfunktion beantragte.

Das wurde zunächst abelehnt, der Beamte klagte auf sogenannte Beihilfegewährung und bekam letztlich sogar Recht. Das Gericht (OVG Rheinland-Pfalz, Az: 2 A 11755/01.OVG, Urteil vom 17.05.2002) begründete dies damit, dass Viagra nicht nur allein der Potenzsteigerung diene, sondern in diesem Fall zur Wiederherstellung der normalen Erektionsfähigkeit helfe. Die Ablehnung des Dienstherrn allein wegen beabsichtigter Potenzsteigerung verstoße daher gegen das Willkürverbot und die dem Staat obliegende Fürsorgepflicht.

Sexunfall ist versichert

Ein Geschlechtsakt kann auch als ein „von außen wirkendes Ereignis“ definiert sein – zumindest wenn man das Versicherungsrecht heranzieht.

So urteilte einmal das Oberlandesgericht Düsseldorf (Urteil vom 21.09.1999; Az: 4 U 153/98). Diesem Streitfall lag zugrunde, dass eine Frau bei und infolge heftig ausgeübten Intimverkehrs aus dem Bett fiel und sich dabei verletzte.

Das im Streitfall mit der Versicherung angerufene Gericht gab ihr Recht und verurteilte die verklagte Versicherung mit der Begründung, dass die Verletzungen der Frau Folgen eines „Unfalls“ gemäß den Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen (AUB) waren. Nach Meinung dieses Gerichts solle dies ja auch gelten, wenn sich die Frau bei einem Aufprall auf das Bettgestell verletzt habe. Der Fall sein nicht anders zu betrachten, wenn die Verletzungen durch den Geschlechtsverkehr als solchen ausgelöst worden sei.

Sturz beim Pinkeln als Arbeitsunfall

Die Leistungspflicht der gesetzlichen Unfallversicherung für Arbeitsunfälle ist sehr genau geregelt, trotzdem – oder gerade deswegen – gibt es immer wieder Fälle zu diesem Thema:

Ein Gebäudereiniger befand sich nach getaner Arbeit mit seinem Pkw auf dem Heimweg. Kurz vor Erreichen seiner Wohnung überkam ihn ein dringendes Bedürfnis, seine Blase zu entleeren. Also hielt er sein Fahrzeug an, um im Gebüsch seine Notdurft zu verrichten. Da der Boden (bereits) nass war, rutschte der Mann aus und brach sich den rechten Oberarm. Nach erfolglosem Antrag auf Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung klagte der Mann vor Gericht.

Das Sozialgericht Gelsenkirchen (Az.: S 10 U 256/98, Urteil vom 14.06.1999) gab ihm Recht – Begründung: Ausnahmsweise bestehe im vorliegenden Fall auch während der Verrichtung der Notdurft Versicherungsschutz unter dem Aspekt „besonderer Gefahrenmoment“. Der Mann wäre schließlich in seiner eigenen Wohnung wohl kaum derartigen Rutschgefahren ausgesetzt, wie bei dem aufgesuchten Ort, so das Gericht.

Schlechter Sex als Reisemangel?

Einige Paare kennen das vielleicht, gebucht wird ein schönes Doppelzimmer und dann stehen zwei Einzelbetten nebeneinander. Manche stört es, andere finden eine gute Lösung. In diesem Fall kam des deswegen zu einer Klage und der Kläger beanstandete wegen der Betten ausgerechnet eine äußerst empfindliche Beeinträchtigung der Schlaf- und insbesondere Beischlafgewohnheiten.

Man habe zwar versucht, die Einzelbetten zu diesem Zweck zusammenzustellen. Da diese jedoch auf rutschigen Fliesen standen, seien sie bei jeder kleinsten Bewegung wieder mittig auseinander gegangen. So sei ein harmonischer Intimverkehr nahezu völlig verhindert worden, was einen Reisemangel darstelle.

Wie Sie vielleicht bereits vermuten, wurde die Klage auf Reisemangel abgeleht.

Das auch Gerichte Humor haben können, lässt die Begründung des Amtsgerichtes Mönchengladbach ahnen. Das Urteil soll deswegen in Auszügen im Wortlaut zitiert werden:

(Az.: 5 a C 106/91, Urteil vom 25.04.1991)

Der Beklagten ist zuzugeben, dass hier leicht der Eindruck entstehen könnte, die Klage sei nicht ernst gemeint. Die Zivilprozessordnung sieht allerdings einen derartigen Fall nicht vor, so dass es hierfür auch keine gesetzlich vorgesehenen Konsequenzen gibt (…)

Der Kläger hat nicht näher dargelegt, welche besonderen Beischlafgewohnheiten er hat, die festverbundene Doppelbetten voraussetzen. Dieser Punkt brauchte allerdings nicht aufgeklärt werden, denn es kommt hier nicht auf spezielle Gewohnheiten des Klägers an, sondern darauf, ob die Betten für einen durchschnittlichen Reisenden ungeeignet sind. Dies ist nicht der Fall. Dem Gericht sind mehrere allgemein bekannte und übliche Variationen der Ausführung des Beischlafs bekannt, die auf einem einzelnen Bett ausgeübt werden können, und zwar durchaus zur Zufriedenheit aller Beteiligten. Es ist also ganz und gar nicht so, dass der Kläger seinen Urlaub ganz ohne das von ihm besonders angestrebte Intimleben hatte verbringen müssen.

Aber selbst wenn man dem Kläger seine bestimmten Beischlafpraktiken zugesteht, die ein festverbundenes Doppelbett voraussetzen, liegt kein Reisemangel vor, denn der Mangel wäre mit wenigen Handgriffen selbst zu beseitigen gewesen. Wenn ein Mangel nämlich leicht abgestellt werden kann, dann ist dies auch dem Reisenden selbst zuzumuten mit der Folge, dass sich der Reisepreis nicht mindert und dass auch Schadensersatzansprüche nicht bestehen

Der Kläger hat ein Foto der Betten vorgelegt. Auf diesem Foto ist zu erkennen, dass die Matratzen auf einem stabilen Rahmen liegen, der offensichtlich aus Metall ist. Es hätte nur weniger Handgriffe bedurft und wäre in wenigen Minuten zu erledigen gewesen, die beiden Metallrahmen durch eine feste Schnur miteinander zu verbinden. Es mag nun sein, dass der Kläger etwas derartiges nicht dabei hatte. Eine Schnur ist aber für wenig Geld schnell zu besorgen. Bis zur Beschaffung dieser Schnur hätte sich der Kläger beispielsweise seines Hosengürtels bedienen können, denn dieser wurde in seiner ursprünglichen Funktion in dem Augenblick sicher nicht benötigt.